In der Literatur wird eine ungeheuer große Zahl von Honigtauerzeugern genannt, bei denen Bienenflug beobachtet worden ist. Doch die Feststellung, dass der ausgeschiedene Honigtau von Bienen gesammelt wird, reicht als Maßstab für die bienenwirtschaftliche Bedeutung des betreffenden Erzeugers nicht aus. Für diese Beurteilung ist entscheidend, ob er eine Tracht verursachen kann, die zu einem derart hohen Eintrag von Honigtau durch Bienenvölker führt, dass die Schleuderung eines entsprechenden Sortenhonigs möglich ist. Diese Bedingung wird von den wenigsten Lausarten erfüllt; denn eine Massentracht von einem Honigtauerzeuger kann es nur geben, wenn
- ihre Wirtspflanze in großer Zahl im Flugkreis des Bienenvolkes vorkommt und
- der Honigtauerzeuger wenigstens ab und zu in solchen Massen auftritt, dass
- große Honigtaumengen anfallen.
Bei den Waldbäumen Buche, Kiefer und Douglasie ist die zuerst genannte Voraussetzung vielerorts erfüllt, doch kommt es bei den auf ihnen lebenden Honigtauerzeugern selten oder nie zu einer Massenvermehrung. Bei anderen Bäumen ist es umgekehrt. So sind Birken, Weiden, Eichen, Erlen und Eschen häufig sehr stark von Honigtauerzeugern befallen und werden auch intensiv von Bienen beflogen, doch ist die Anzahl der Bäume im Umkreis eines Bienenstandes so gering, dass anhaltend hohe Zunahmen allein aus dieser Tracht nicht zustande kommen.
Auf der Tanne kann der aufmerksame Beobachter im Laufe eines Jahres vier verschiedene Honigtauerzeuger entdecken, von denen bisher nur zwei, die Grüne Tannenhoniglaus und die Große Schwarzbraune Tannenrindenlaus, auch die zweite und dritte Voraussetzung erfüllen. Honigtauausscheidung und Bienenbeflug können regelmäßig auch bei den beiden anderen auf der Tanne lebenden Lausarten, der Tannennapfschildlaus und der Weisstannentrieblaus beobachtet werden. Doch kommt es bei der Tannennapfschildlaus nie oder äußerst selten zu einem Massenbefall. Die Weisstannentrieblaus tritt zwar häufig, besonders an sehr warmen Standorten, in großer Zahl auf, doch ist die Massenvermehrung meistens auf die frühe Zeit des Austriebes begrenzt. Auch bei starkem Befall fällt nur eine bescheidene Honigtaumenge an.
Auf der Fichte leben zwei Schildlausarten und fünf Rindenlausarten, die in der Literatur hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Bienenhaltung nicht einheitlich bewertet werden. So schreiben viele Beobachter der Kleinen Fichtenquirlschildlaus eine überragende Bedeutung zu. Diese Ansicht können wir nicht teilen. Während einer von 1987 bis 1998 durchgeführten Untersuchung der Waldtracht in den Hochlagen des Südlichen Schwarzwaldes kam es in sechs Jahren zu einer Fichtentracht, an der immer nur Fichtenlachniden beteiligt waren. Die Populationsdichte der Kleinen Fichtenquirlschildlaus war in keinem Jahr hoch genug, um für eine Lecanientracht zu sorgen, obwohl die für die Untersuchung 1986 ausgewählten Standorte von „erfahrenen“ Waldtrachtimkern als Lecanienstandorte empfohlen worden waren. Nach zwölf Jahren war die Kleine Fichtenquirlschildlaus erstmals 1998 in sehr bescheidenen Umfang an der Honigtautracht beteiligt.
Andere Erfahrungen machte die Oberpfälzer Trachtbeobachtergruppe, die in den vergangenen Jahren mehrmals Lecanientracht im Oberpfälzer Wald, im Thüringer Wald und im Erzgebirge nutzen konnte. Vielleicht gibt es geographische und auch regionale Unterschiede. Das könnte auch für die Beurteilung der bienenwirtschaftlichen Bedeutung der Lachnidenarten auf Fichte und Tanne gelten.
Alle auf der Fichte lebenden Lachnidenarten bilden Kolonien, wodurch ihre Beobachtung und die Erfassung ihrer Populationsdichte erheblich erschwert wird. Das gilt besonders für die versteckt siedelnden Arten. Es könnte sein, dass sie auch dann, wenn sie erheblich zu der Entstehung einer Honigtautracht beitragen, manchem Imker nicht auffallen, besonders, wenn sie gleichzeitig mit anderen Honigtauerzeugern auftreten, die leichter zu finden sind. Sehr schwer zu beurteilende Arten sind die Große Schwarze Fichtenrindenlaus und ihre „Schwester“ auf der Weißtanne, die Große Schwarzbraune Tannenrindenlaus, die Stark bemehlte Fichtenrindenlaus, die Grüngestreifte Fichtenrindenlaus und die Graugrün gescheckte Fichtenrindenlaus. Bei diesen Arten gibt es keine Methoden, mit denen die Populationsdichte exakt gemessen werden kann. Dieses Problem besteht auch, wenn auch weniger stark, bei dem mit Abstand wichtigsten Honigtauerzeuger auf der Fichte, der Rotbraunen Bepuderten Fichtenrindenlaus.
Baum | Lausart | Lateinischer Name | Bedeutung |
Fichte | Rotbraune bepuderte Fichtenrindenlaus | Cinara pilicornis | ••••••••• |
Große schwarze Fichtenrindenlaus | Cinara piceae | •••••• | |
Kleine Lecanie oder Fichtenquirlschildlaus | Physokermes hemicryphus | •••• | |
Stark bemehlte Fichtenrindenlaus | Cinara costata | •• | |
Graugrün gescheckte Fichtenrindenlaus | Cinara pruinosa | • | |
Grüngestreifte Fichtenrindenlaus | Cinara piceicola/stroyani | • | |
Große Lecanie oder Fichtenquirlschildlaus | Physokermes piceae | • | |
Tanne | Grüne Tannenhoniglaus | Cinara pectinatae | ••••••••• |
Große schwarzbraune Tannenrindenlaus | Cinara confinis | •• | |
Colorado Tannenrindenlaus | Cinara curvipes | – |
Tolle Zusammenfassung. Auch die Beschreibung der einzelnen Honigtauerzeuger habe ich so auf Deutsch noch nirgens im Netz gefunden. Bin im zweiten Jahr mit meinen Bienen und werde mich mal dran versuchen, den Wald im Auge zu behalten.